Der Gebrauch von Cookies erlaubt uns Ihre Erfahrung auf dieser Website zu optimieren. Wir verwenden Cookies zu Statistikzwecken und zur Qualitätssicherung. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

Weitere Informationen

Image-Film abspielen

Information
Frühere Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union können im Archiv eingesehen werden.

14.07.2023 DSGVO: Handelt es sich bei Beschwerden nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO um „Anfragen“ im Sinn des Art. 57 Abs. 4 DSGVO, falls ja, unter welchen Voraussetzungen kann die Datenschutzbehörde die Bearbeitung von Beschwerden als „exzessive Anfragen“ im Sinn des Art. 57 Abs. 4 DSGVO verweigern?

Ra 2023/04/0002 (EU 2023/0004) vom 27. Juni 2023, C-416/23

Im Ausgangsverfahren erhob eine Person (Beschwerdeführer) bei der Datenschutzbehörde eine Datenschutzbeschwerde. Der Beschwerdeführer erachtete sich in seinem Recht auf Auskunft verletzt. Die Datenschutzbehörde lehnte die Behandlung der Datenschutzbeschwerde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO mit Bescheid ab. Die Behörde begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer in den vergangenen zwei Jahren mehr als 77 Datenschutzbeschwerden eingebracht habe. Die vielen Beschwerden würden die Ressourcen der Behörde unverhältnismäßig binden, es liege keine "Grundschutzbedürftigkeit" des Beschwerdeführers vor. Es sei daher von einer exzessiven Inanspruchnahme des Beschwerderechts nach Art. 57 Abs. 4 DSGVO auszugehen, die eine Verweigerung der Bearbeitung der Datenschutzbeschwerde erlaube.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen (Bescheid)Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht Folge, hob den Bescheid der Datenschutzbehörde ersatzlos auf und trug der Datenschutzbehörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von den gebrauchten Gründen der Ablehnung auf. Bei der Rechtsfrage, ob eine Anfrage "exzessiv" im Sinn des Art. 57 Abs. 4 DSGVO sei, komme es nicht nur auf die bloße Anzahl von Anfragen des Beschwerdeführers an, sondern auch darauf, ob die Anfrage "offensichtlich schikanös bzw. rechtsmissbräuchlich" erfolgt sei.

Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhob die Datenschutzbehörde eine Amtsrevision.

Für den VwGH entstanden im Verfahren mehrere Zweifel im Zusammenhang mit der Auslegung der DSGVO.

Nach Art. 57 Abs. 4 DSGVO kann die Aufsichtsbehörde (in Österreich die Datenschutzbehörde), bei offenkundig unbegründeten oder - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Anfragen eine angemessene Gebühr für die Bearbeitung verlangen oder sich weigern, aufgrund der Anfrage tätig zu werden.

Für den VwGH ist zunächst fraglich, ob es sich bei einer Datenschutzbeschwerde nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO überhaupt um eine Anfrage(n) im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO handelt (1. Frage).

Sollte der EuGH die 1. Frage bejahen, möchte der VwGH wissen, ob für das Vorliegen von "exzessiven Anfragen" bereits die Einbringung einer bestimmten Anzahl von Anfragen (Datenschutzbeschwerden) innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausreicht, oder ob es daneben einer Missbrauchsabsicht der betroffenen Person bedarf (2. Frage).

Schließlich ist für den VwGH unklar, ob die Aufsichtsbehörde bei Vorliegen einer "exzessiven Anfrage" gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO frei wählen kann, ob sie eine Gebühr für deren Bearbeitung verlangt oder deren Bearbeitung von vornherein verweigert, oder sie vorrangig als gelinderes Mittel eine angemessene Gebühr zu verlangen hat (3. Frage).

Volltext des Beschlusses


Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1. Ist der Begriff „Anfragen“ oder „Anfrage“ in Art. 57 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung   DSGVO) dahin auszulegen, dass darunter auch „Beschwerden“ nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO zu verstehen sind?

Falls die Frage 1 bejaht wird:

2. Ist Art. 57 Abs. 4 DSGVO so auszulegen, dass es für das Vorliegen von „exzessiven Anfragen“ bereits ausreicht, dass eine betroffene Person bloß innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Zahl von Anfragen (Beschwerden nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO) an eine Aufsichtsbehörde gerichtet hat, unabhängig davon, ob es sich um unterschiedliche Sachverhalte handelt und/oder die Anfragen (Beschwerden) unterschiedliche Verantwortliche betreffen, oder bedarf es neben der häufigen Wiederholung von Anfragen (Beschwerden) auch einer Missbrauchsabsicht der betroffenen Person?

3. Ist Art. 57 Abs. 4 DSGVO so auszulegen, dass die Aufsichtsbehörde bei Vorliegen einer „offenkundig unbegründeten“ oder „exzessiven“ Anfrage (Beschwerde) frei wählen kann, ob sie eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten für deren Bearbeitung verlangt oder deren Bearbeitung von vornherein verweigert; verneinendenfalls welche Umstände und welche Kriterien die Aufsichtsbehörde zu berücksichtigen hat, insbesondere ob die Aufsichtsbehörde verpflichtet ist, vorrangig als gelinderes Mittel eine angemessene Gebühr zu verlangen, und erst im Fall der Aussichtslosigkeit einer Gebühreneinhebung zur Hintanhaltung offenkundig unbegründeter oder exzessiver Anfragen (Beschwerden) berechtigt ist, deren Bearbeitung zu verweigern?