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Frühere Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union können im Archiv eingesehen werden.

29.2.2024 StatusRL: Kann Asyl im Folgeverfahren verweigert werden, wenn der Antragsteller lediglich subjektive Nachfluchtgründe geltend macht?

Ro 2020/01/0023 (EU 2022/0001) vom 16. März 2022, C-222/22

Im Ausgangsfall dieses Vorabentscheidungsersuchen stellte ein iranischer Staatsangehöriger (erstmals) einen Antrag auf internationalen Schutz (Asylantrag), der rechtskräftig abgewiesen wurde. Der Antragsteller stellte in weiterer Folge erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er - nach Abweisung des ersten Antrags auf internationalen Schutz - seine Religion gewechselt hätte. Er sei nunmehr Christ und befürchte aus diesem Grund Verfolgung im Iran.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ging von der Glaubwürdigkeit dieses Vorbringens und von einer Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus. Weil es sich bei der Konvertierung um einen subjektiven Nachfluchtgrund in einem Folgeverfahren handle, sei gemäß § 3 Abs. 2 zweiter Satz Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) jedoch kein Asylstatus zuzuerkennen, sondern lediglich subsidiärer Schutz zu gewähren.

Das vom Antragsteller mit Beschwerde angerufene Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab der Beschwerde Folge und erkannte dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten zu. § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 sei dahingehend auszulegen, dass eine Zuerkennung des Asylstatus nur dann ausgeschlossen sei, wenn die Nachfluchtgründe in Missbrauchsabsicht herbeigeführt worden seien. Das sei hier nicht der Fall.

Das BFA erhob dagegen eine Amtsrevision.

Für den VwGH stellte sich im Revisionsverfahren die Frage der Auslegung des Art. 5 Abs. 3 Status-Richtlinie (StatusRL), auf dessen Grundlage die Bestimmung des § 3 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 ergangen ist.

Nach Art. 5 Abs. 3 StatusRL können die Mitgliedstaaten unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) festlegen, dass ein Antragsteller, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat. Auslegungsbedürftig sind nach Auffassung des VwGH insbesondere die Wortfolgen "unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention" und "in der Regel".

Die genannte Bestimmung könnte man - so der VwGH in der Begründung des Vorabentscheidungsersuchens - einerseits so verstehen, dass die Bestimmungen der GFK auch bei Folgeanträgen unbeschränkt zu beachten sind. Demnach bestünde für die Mitgliedstaaten keine Möglichkeit, die Zuerkennung von Asyl aufgrund eines subjektiven Nachfluchtgrundes im Folgeverfahren zu verweigern. Art. 5 Abs. 3 StatusRL würde bei einer solchen Auslegung möglicherweise nur auf erhöhte Anforderungen bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens hinweisen.

Andererseits könnte Art. 5 Abs. 3 StatusRL dahin ausgelegt werden, dass bei Geltendmachung eines subjektiven Nachfluchtgrundes im Folgeverfahren die Gewährung von Asyl nach Maßgabe nationaler Regelungen ausgeschlossen werden könne, es sei denn, dass dem Antragsteller der Nachweis gelingt, dass die Herbeiführung des Nachfluchtgrundes nicht missbräuchlich erfolgt sei.

Die Vorlagefrage im Wortlaut:

Ist Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9‑26, dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaates, wonach einem Fremden, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind, entgegensteht? 

Volltext des Beschlusses


Mit Urteil vom 29. Februar 2024, C-222/22, hat der EuGH wie folgt geantwortet:

Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund eines Folgeantrags im Sinne von Art. 2 Buchst. q der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, der auf eine Verfolgungsgefahr gestützt wird, die auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslands selbst geschaffen hat, von der Voraussetzung abhängig macht, dass diese Umstände Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung des Antragstellers sind.