Der Gebrauch von Cookies erlaubt uns Ihre Erfahrung auf dieser Website zu optimieren. Wir verwenden Cookies zu Statistikzwecken und zur Qualitätssicherung. Durch Fortfahren auf unserer Website stimmen Sie dieser Verwendung zu.

Weitere Informationen

Image-Film abspielen

Information
Frühere Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union können im Archiv eingesehen werden.

23.10.2025 Vorabentscheidungsersuchen: Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ex nunc ab Ausstellung einer korrekten Rechnung?

EU 2025/0004 (Ro 2024/15/0007) vom 7. Oktober 2025

Eine Handelsunternehmerin hatte in den Jahren 2011 bis 2014 Waren unter Verwendung ihrer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bei in Schweden und Dänemark ansässigen Unternehmern bestellt, welche die Waren unmittelbar an Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten versandten. Diese Vorgänge wurden von ihr als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt, während sie den Erwerb der Waren als innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich mit entsprechendem Vorsteuerabzug erklärte. Ein Hinweis auf ein Dreiecksgeschäft bzw. den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger fehlte auf den Rechnungen. 

Das Finanzamt qualifizierte die Vorgänge als „missglückte Dreiecksgeschäfte“ und wandte die allgemeinen Regelungen für Reihengeschäfte an, was zur Festsetzung kumulativer innergemeinschaftlicher Erwerbe in Österreich gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 und zur Versagung des Vorsteuerabzugs führte.

Die Handelsunternehmerin korrigierte bzw. ergänzte die betreffenden Rechnungen im Jahr 2015 um die entsprechenden Hinweise und korrigierte die Zusammenfassenden Meldungen betreffend den Zeitraum 2011 bis September 2014. In der Umsatzsteuervoranmeldung für März 2015 meldete sie einen Berichtigungsbetrag in Höhe der (kumulativen) Vorsteuer aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb.

Das Finanzamt berücksichtigte diesen Berichtigungsbetrag nicht. Die Handelsunternehmerin erhob dagegen Beschwerde in der sie ausführte, durch die Korrektur seien nun alle Mängel behoben und sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erfüllt.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge und argumentierte, die im März 2015 ausgestellten Rechnungen könnten nach der Rechtsprechung des EuGH keine Rückwirkung auf die Jahre 2011 bis 2014 entfalten, die Wirkungen würden aber ex nunc eintreten, der Berichtigungsantrag sei deshalb im Jahr 2015 anzuerkennen. Aufgrund von Stichproben sei davon auszugehen, dass die versendeten Poststücke mit den korrigierten Rechnungen den Kunden auch tatsächlich zugegangen seien.

Gegen dieses Erkenntnis erhob das Finanzamt Revision, in der es geltend machte, das Wahlrecht zur Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte könne nicht mehr Jahre nach Durchführung der betreffenden Umsätze ausgeübt werden, der maßgebliche Zeitpunkt für die Ausübung dieses Wahlrechts sei längst verstrichen. Der unionsrechtliche Zweck der Dreiecksgeschäftsregelung, die Verwaltungsvereinfachung für mittlere Unternehmen bei bestimmten innergemeinschaftlichen Reihengeschäften, könne nicht mehr erreicht werden, wenn die Dreiecksgeschäftsregelung erst durch nachträgliche Rechnungskorrekturen angewendet werde. Für den Zeitraum zwischen der tatsächlichen Durchführung der Lieferungen und der späteren Korrektur der Rechnungen seien die Steuerschuld für die innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 sowie die entsprechenden Registrierungs-, Erklärungs- und Steuerpflichten in den Bestimmungsmitgliedstaaten bereits entstanden. Würde im Jahr 2015 nachträglich die Steuerpflicht der Handelsunternehmerin für die aufgrund der Verwendung ihrer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer bewirkten innergemeinschaftlichen Erwerbe entfallen, bestünde zudem kein Anreiz mehr, die in den Bestimmungsländern bislang unterbliebene Umsatzbesteuerung nachzuholen.

Die Handelsunternehmerin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie den Ausführungen des Finanzamtes entgegentrat. Der VwGH hat dem EuGH dazu nunmehr ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt.

Der VwGH führt darin aus, bei Anwendung der Regelung für Dreiecksgeschäfte kommt es zu Erleichterungen für den Zwischenhändler. So ist der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat steuerbefreit, der zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb nach Art. 41 der Mehrwertsteuersystem-RL gilt als besteuert und die Steuer für die Lieferung des Zwischenhändlers an den Empfänger im Bestimmungsmitgliedstaat werde entsprechend Art. 197 Abs. 1 Mehrwertsteuersystem-RL vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet. Diese Vereinfachung könne nur in Anspruch genommen werden, wenn sämtliche materiellen Voraussetzungen erfüllt seien, dazu gehöre nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Ausstellung einer Rechnung gemäß Art. 226 Nr. 11a der Mehrwertsteuersystem-RL.

Die erstmalige Ausstellung einer Rechnung kann nach der Ansicht der EuGH keine ex tunc Wirkung entfalten, deshalb kommen die allgemeinen Vorschriften für Reihengeschäfte zur Anwendung. Die Handelsunternehmerin muss für die betreffenden Jahre, in denen die Lieferungen bewirkt wurden, einen innergemeinschaftlichen Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat melden und versteuern. In Österreich muss wegen der Verwendung einer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der zusätzliche innergemeinschaftliche Erwerb gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 besteuert werden.

Da die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte im Revisionsfall in den Jahren 2011 bis 2014 nicht zur Anwendung kommen kann, sind die allgemeinen Vorschriften für Reihengeschäfte anwendbar. Die Handelsunternehmerin hat daher in diesen Jahren bereits einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, der im Bestimmungsland zu melden und gegebenenfalls zu versteuern ist. Zudem fällt aufgrund des Auftretens unter einer österreichischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer in Österreich ein zusätzlicher steuerpflichtiger innergemeinschaftlicher Erwerb an.

Die Handelsunternehmerin kann den begehrten Entfall der Erwerbsbesteuerung in Österreich ohnedies durch Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat erreichen. Eine ex nunc Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte bedürfte es daher nicht.

Aus dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts betreffend die Umsatzsteuer 2011 bis 2014 lässt sich ableiten, dass eine Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Jahre 2011 bis 2014 nicht erfolgt sei.

Die Handelsunternehmerin dürfte die ex nunc Wirkung der erstmals korrekt ausgestellten Rechnungen deshalb in Anspruch nehmen wollen, um ihre Pflichten aus den durchgeführten Reihengeschäften für die Jahre 2011 bis 2014 nicht erfüllen zu müssen und dennoch die Wirkungen eines Doppelerwerbs nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 beseitigen zu können.

Nach Ansicht des VwGH dürfte eine solche Vorgehensweise allerdings zu einer ex tunc Wirkung der korrigierten bzw. erstmals ausgestellten Rechnungen führen. Fraglich ist daher, ob eine erst Jahre nach der Lieferung, erstmals korrekte Ausstellung einer Rechnung vor dem Hintergrund des Art. 41 und des Art. 42 Buchst. a Mehrwertsteuersystem-RL eine solche Wirkung entfalten kann. Zudem stellt sich für den VwGH die Frage, ob eine ex nunc Wirkung der Rechnung davon abhängt, ob in den Bestimmungsmitgliedstaaten für die Jahre in denen die Lieferungen bewirkt wurden, noch etwaige Änderungen in den Umsatzsteuerveranlagungen der Leistungsempfänger durchgeführt werden könnten.

Weiters stellte der VwGH die Frage, wie bei Annahme einer ex nunc Wirkung der Rechnung der Nachweis zu erfolgen hat, dass dem Empfänger der Lieferung die Rechnung tatsächlich zugegangen ist.

 Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1. Ist Art. 42 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung dahin auszulegen, dass eine erstmalige Ausstellung einer für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung erforderlichen Rechnung, die aber erst mehrere Jahre nach Bewirkung der Lieferungen ausgestellt wird, die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregel ex nunc auslöst?

2. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: Ist die ex nunc Wirksamkeit der erstmaligen Ausstellung einer solchen Rechnung davon abhängig, dass der Rechnungsaussteller für den Zeitraum vor deren Ausstellung eine Besteuerung nach den allgemeinen Bestimmungen im Bestimmungsmitgliedstaat vorgenommen hat?

3. Für den Fall, dass Frage 1 mit ja zu beantworten ist: In welcher Form muss der Zwischenerwerber den Nachweis dafür erbringen, dass die erstmals ausgestellte erforderliche Rechnung dem Enderwerber tatsächlich zugegangen ist? 

Volltext des Beschlusses