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Die Anordnung an eine Richterin, ihre Rechtspfleger dahin zu beaufsichtigen, dass sie auf eine bestimmte Art judizieren, stellt eine unzulässige und nicht zu befolgende Weisung dar

Ro 2022/12/0029 vom 5. Dezember 2023

Der vorliegende Fall betrifft die richterliche Unabhängigkeit einer Richterin am Verwaltungsgericht Wien. Aus Anlass eines Prüfverfahrens zu den beim Verwaltungsgericht Wien tätigen Rechtspflegern teilte die Volksanwaltschaft dem Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien mit, dass in einer von einer am Verwaltungsgericht Wien tätigen Rechtspflegerin getroffenen Entscheidung die Rechtslage "grob verkannt" worden sei.

Darüber informierte der Präsident in der Folge jene Richterin, der diese Rechtspflegerin zugeordnet war, in einer "Mitteilung gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 VGWG im Rahmen der Dienstaufsicht (Justizaufsicht)", und er wies sie darauf hin, dass die in ihrem Verantwortungsbereich tätige Rechtspflegerin angemessen zu beaufsichtigen sei.

Die Richterin beantragte daraufhin die Feststellung, die "Mitteilung gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 VGWG im Rahmen der Dienstaufsicht (Justizaufsicht)" sei rechtswidrig. Die Richterin erachtete sich durch die Mitteilung in ihrer richterlichen Unabhängigkeit verletzt, weshalb sie diese als unwirksam ansah.

Diesen Feststellungsantrag der Richterin wies der Präsident des Verwaltungsgerichts Wien mit Bescheid zurück. Seine Entscheidung begründete er damit, dass seine Mitteilung nicht normativ ergangen sei. Es habe sich um keine Weisung, sondern lediglich um eine Belehrung gehandelt. Darüber hinaus bestünde kein subjektives Recht auf richterliche Unabhängigkeit bzw. kein dahingehendes ein Feststellungsinteresse der Richterin.

Eine von der Richterin gegen den Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Schließlich erhob die Richterin eine Revision an den VwGH.

In seiner Entscheidung verwies der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob es sich bei der "Mitteilung" des Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien um eine Weisung gehandelt hat, auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach ist unter einer Weisung eine generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete Anordnung (Festlegung einer Pflicht) zu verstehen, die an einen oder an eine Gruppe von dem Weisungsgeber untergeordneten Verwaltungsorganwaltern ergeht. Sie ist an keine Form gebunden und kann schriftlich oder mündlich ergehen. Die Weisung ist anhand ihres Inhalts zu beurteilen. Auf die Bezeichnung kommt es daher nicht an. So kann auch etwa ein "Ersuchen" oder ein "Gebetenwerden" eine Weisung darstellen.

Fallbezogen stellte der VwGH klar, dass es sich bei der Mitteilung des Präsidenten an die Richterin, ihre Rechtspfleger angemessen zu beaufsichtigen, bei verständiger Würdigung um eine Weisung handelte. Denn mit dieser Mitteilung, in der er auch auf die Rechtsansicht der Volkanwaltschaft verwiesen wurde, hatte der Präsident des Verwaltungsgerichts Wien der Richterin zur Pflicht machen wollen, die unter ihrer Verantwortung tätigen Rechtspfleger dazu anzuhalten, künftig keine Entscheidungen in einer Art und Weise zu treffen, wie dies von der Volksanwaltschaft beanstandet worden war. An der Qualifikation des Schreibens als Weisung änderte auch der Umstand nichts, dass dieses als Mitteilung im Rahmen der Dienstaufsicht bezeichnet gewesen war.

Ausgehend vom Vorliegen einer Weisung klärte der VwGH in seiner Entscheidung sodann, ob ein rechtliches Interesse der Richterin an der Feststellung bestanden hat, dass sie die Weisung nicht zu befolgen hatte.

Dabei verwies der VwGH auf seine Rechtsprechung, wonach der Befolgungspflicht einer Weisung nur ihre Unwirksamkeit entgegenstehen kann. Eine solche liegt etwa dann vor, wenn die Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt wurde, ihre Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstößt oder dem weisungserteilenden Vorgesetzten "Willkür" vorzuwerfen wäre.

In diesem Zusammenhang betonte der VwGH, dass die revisionswerbende Richterin als Mitglied eines Verwaltungsgerichts Richterin im Sinne des Art. 87 B‑VG und daher in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig ist. Die ihr vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts Wien erteilte Weisung hatte die Ausübung ihres richterlichen Amtes betroffen, da ihr vorgegeben werden sollte, in welcher Weise die ihr zugeordneten Rechtspfleger judizieren sollten. Da Richtern, soweit sie in Ausübung ihres richterlichen Amtes tätig sind, aber überhaupt keine Weisungen erteilt werden dürfen, war der Präsident des Verwaltungsgerichts Wien zur Erteilung dieser Weisung von vorherein nicht zuständig. Die Richterin hatte die Weisung daher nicht zu befolgen und sie hatte auch ein Recht auf eine dahingehende Feststellung.

Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung auf.


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Volltext der Entscheidung