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Asylgesetz 2005: Jede Form von Genitalverstümmelung (FGM/C) ist Verfolgung
Ra 2025/18/0070 vom 9. September 2025
Hinweis: Diese Zusammenfassung behandelt eine Entscheidung über das Thema FGM/C (Female Genital Mutilation/Cutting).
Eine somalische Staatsangehörige stellte im Juli 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie brachte vor, im Kindesalter Opfer einer nicht näher präzisierten Form der Genitalverstümmelung geworden zu sein. Mittlerweile habe ihr eine Frauenärztin in Österreich erklärt, dass die Genitalverstümmelung nicht mehr vollständig sei, weshalb sie bei Rückkehr nach Somalia befürchte, erneut einer Genitalverstümmelung unterworfen zu werden (Reinfibulation).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte der Asylwerberin subsidiären Schutz, jedoch nicht Asyl zu. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Gericht ging davon aus, dass der Asylwerberin bei Rückkehr nach Somalia keine Genitalverstümmelung mehr drohe, weil die Quote der Verstümmelungen im ganzen Land rückläufig sei und der Trend zu weniger invasiven Formen der Verstümmelung gehe.
Die Asylwerberin erhob dagegen Revision an den VwGH.
Der VwGH verwies zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach FGM/C (Infibulation) im Einklang mit der international weithin anerkannten Sichtweise eine asylrelevante Verfolgung darstellen kann.
Der VwGH stellte klar, dass die in der Kindheit der Antragstellerin vorgenommene Genitalverstümmelung unter Berücksichtigung ihres Vorbringens nicht erlaube, die Gefahr einer neuerlichen Verstümmelung bei Rückkehr nach Somalia ohne weitere Ermittlungen zu verneinen.
Nach den Länderberichten werde die große Mehrheit der Frauen in Somalia weiterhin einer Form der weiblichen Genitalverstümmelung unterworfen. Dass in den letzten Jahren von einem Trend zu weniger invasiven Formen von FGM/C berichtet werde, ändere nichts daran, dass auch weniger invasive Formen der weiblichen Genitalverstümmelung einen schwerwiegenden Eingriff in grundlegende Menschenrechte der Frau und somit eine asylrelevante Verfolgung begründen, finde doch eine Verletzung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane aus nicht-medizinischen Gründen ohne (wirksame) Einwilligung bzw. gegen den Willen der Betroffenen statt.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in diesem Sinne nicht ausreichend geprüft, ob der Asylwerberin bei einer Rückkehr nach Somalia die Gefahr einer Reinfibulation droht. Der VwGH hob daher die angefochtene Entscheidung auf.