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Asylrecht: Es ist hinsichtlich aller aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ein begründeter Abspruch über ihre Zulässigkeit zu treffen

Ra 2022/20/0371 vom 25. April 2023

Der vorliegende Fall betraf eine syrische Staatsangehörige (Antragstellerin), der bereits in Rumänien der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Nach Einreise in Österreich stellte sie im Jahr 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz (Asyl). Dieser Antrag wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren gemäß § 4a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aufgrund des bereits zuerkannten Schutzstatus in Rumänien zurückgewiesen. Der Antragstellerin wurde vom Bundesamt auch kein Aufenthaltstitel zuerkannt und aufgetragen, sich nach Rumänien zu begeben andernfalls ihr die Außerlandesbringung drohe.

Die Antragstellerin stellte im Jahr 2021 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Sie begründete den Antrag damit, dass sie bei ihrem – in Österreich lebenden und asylberechtigten – Ehemann verbleiben wolle und mit ihm Zwillinge erwarte.

Dieser Folgeantrag wurde vom Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf die Zuerkennung von Asyl wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Aufgrund der in der Zwischenzeit geborenen Zwillingen, denen auch, abgeleitet vom Vater, Asyl zuerkannt wurde, schloss das Bundesverwaltungsgericht, dass aufgrund des entstandenen und nach Art. 8 EMRK schützenswerten Familienlebens eine Außerlandesbringung nach Rumänien nicht mehr zulässig sei. Die Anordnung zur Außerlandesbringung sei daher aufzuheben gewesen. Im Übrigen erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Antragstellerin keinen Aufenthaltstitel zu.

Dagegen erhob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Amtsrevision.

Der VwGH hatte die Rechtsfrage zu lösen, ob in einem Fall, in dem die Anordnung zur Außerlandesbringung auf Dauer unzulässig ist, in Folge ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist.

Dazu stellte der VwGH klar, dass vor jeder aufenthaltsbeendenden Maßnahme (etwa einer Rückkehrentscheidung oder hier einer Außerlandesbringung) die Behörde gemäß § 9 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Interessenabwägung zwischen den öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung und den Interessen der betroffenen Person an der Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK vorzunehmen hat.

Bei Rückkehrentscheidungen handelt es sich um aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber Drittstaatsangehörigen wogegen Außerlandesbringungen in Zusammenhang mit sich aus dem Dublin-System ergebenden Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz stehen. Daneben gebe es noch die hier nicht relevante Ausweisung oder die Verhängung eines Aufenthaltsverbots.

§ 9 Abs. 1 BFA‑VG ordnet zwar hinsichtlich aller aufenthaltsbeendenden Maßnahmen an, dass eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Aber nur hinsichtlich Rückkehrentscheidungen ordnet § 9 Abs. 3 BFA‑VG darüber hinaus an, dass über ihre Zulässigkeit -insbesondere ob sie auf Dauer unzulässig ist - in Form eines Spruchpunkts begründet abzusprechen ist.

Der VwGH sprach aus, dass es sich hierbei um eine Gesetzeslücke handelt, weil der Gesetzgeber erkennbar beabsichtigt hatte, dass in allen Fällen, in denen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme auf Dauer unzulässig ist, darüber begründet abzusprechen ist. Zur Lückenschließung ist daher die entsprechende Regelung in § 9 Abs. 3 BFA‑VG analog auf diese Fälle anzuwenden.

Ist eine aufenthaltsbeendende Maßnahme für auf Dauer unzulässig erklärt worden, hat die Behörde gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, ob ein Aufenthaltstitel nach gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist und auch darüber bescheidmäßig abzusprechen.

Im vorliegenden Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht nicht bloß die Anordnung zur Außerlandesbringung ersatzlos zu beheben, sondern hätte darüber hinaus den Abspruch zu tätigen gehabt, dass es – wie es erkennbar ausgeht – die Außerlandesbringung für auf Dauer unzulässig erklärt. In weiterer Folge wäre die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 zu prüfen.


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Volltext der Entscheidung