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FPG: Eine schengenweite Einreiseverweigerung eines Schengen-Staats ergibt alleine noch keinen rechtswidrigen Aufenthalt eines Fremden, wenn dieser über einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügt

Ra 2021/17/0043 vom 21. Februar 2023

Im vorliegenden Fall wurde ein Fremder, ein Staatsangehöriger von Nigeria, von der Landespolizeidirektion Wien bestraft, weil er sich rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Behörde ging davon aus, dass gegenüber dem Fremden ein von Norwegen ausgesprochenes Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehe, welches für das (gesamte) Schengen-Gebiet gelte. Der Fremde brachte dagegen vor, in Italien aufenthaltsberechtigt zu sein.

Die vom Fremden gegen die Strafe erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht Wien abgewiesen. Das von Norwegen verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot gelte für das gesamte Schengen-Gebiet, "außer bei Besitz eines gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitels eines Schengen[‑]Staats". Diese Ausnahme sei im konkreten Fall so zu verstehen, dass sich der Fremde aufgrund seines Aufenthaltstitels lediglich in Italien, jedoch nicht im übrigen Schengen-Gebiet, somit auch nicht in Österreich aufhalten dürfe.

Dagegen erhob der Fremde Revision, in der er vorbrachte, das von Norwegen erlassene Einreiseverbot gelte nur dann, wenn der Fremde über keinen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staats verfüge. Im vorliegenden Fall verfüge der Fremde jedoch über einen italienischen Aufenthaltstitel, weshalb sein Aufenthalt (in Österreich) nicht rechtswidrig gewesen sei.

Der VwGH prüfte, ob die Landespolizeidirektion und das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen sind, dass der Aufenthalt des Fremden im (österreichischen) Bundesgebiet rechtswidrig gewesen war.

Dazu hielt der VwGH zunächst fest, dass eine Einreise eines Fremden nach dem (nationalen) Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) auch dann rechtmäßig ist, wenn der Fremde, obwohl ein Schengen-Staat über ihn einen Zurückweisungsgrund (etwa ein Einreiseverbot) erlassen hat, einen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates oder einen Einreisetitel Österreichs besitzt (§ 15 Abs. 4 Z 2).

Bei dem von Norwegen ausgesprochenen Einreise- und Aufenthaltsverbot handelt es sich um eine im Schengener Informationssystem (SIS) ausgeschriebene Einreiseverweigerung, welche an sich für das (gesamte) Schengen-Gebiet gilt (eine solche Ausschreibung im SIS ist von Einreiseverweigerungen in nationalen Ausschreibungslisten zu unterscheiden).

Gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG halten sich Fremde bis zu drei Monate rechtmäßig in Österreich auf, wenn sie Inhaber eines von einem Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, wobei diese Bestimmung auf Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) verweist.

Nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ können sich Drittausländer (das sind Staatsangehörige von Staaten, die nicht dem Schengener Übereinkommen beigetreten sind) bis zu drei Monate im Hoheitsgebiet eines anderen Schengen-Staats bewegen, wenn sie über einen gültigen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates und ein gültiges Reisedokument (etwa einen Reisepass) verfügen sowie die in lit. a, c und e des Art. 6 Schengener Grenzkodex (SGK) genannten Einreisevoraussetzungen erfüllen. Danach muss ein Drittausländer im Wesentlichen über ein gültiges Reisedokument sowie ausreichende Mittel verfügen. Es darf überdies vom Aufenthaltsstaat über den Drittausländer kein Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Begründung, dass dieser eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, erlassen worden sein. Das bedeutet, dass der bloße Umstand, dass ein Drittausländer im (schengenweiten) SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben worden ist, noch nicht zwingend zur Folge hat, dass sich dieser nicht im Reiseverkehr frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten, die kein Einreiseverbot verhängt haben, bewegen darf.

Das Verwaltungsgericht Wien durfte daher die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts des über einen italienischen Aufenthaltstitel verfügenden Fremden in Österreich nicht (bloß) deshalb annehmen, weil Norwegen gegen diesen ein (an sich schengenweites) Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt hat. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Fremden wäre vielmehr - wegen Vorliegen eines Aufenthaltstitels eines Schengen-Staats - nach § 31 Abs. 1 Z 3 FPG sowie nach Art. 21 SDÜ und Art. 6 lit. a, c und e (jedoch nicht lit. d) SGK zu prüfen gewesen (maximal drei Monate Aufenthalt, gültiges Reisedokument, ausreichende Mittel, keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bzw. keine Einreiseverweigerung aus diesem Grund, keine unerlaubte Erwerbstätigkeit).

Da das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannte, hob der VwGH die angefochtene Entscheidung auf.


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Volltext der Entscheidung