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Zurückziehung der Beschwerde nach Stellung eines Vorlageantrags gegen eine Beschwerdevorentscheidung

Ro 2020/05/0018 vom 24. Februar 2022

Im vorliegenden Fall hatte sich der VwGH mit der Frage auseinandersetzen, welche rechtliche Wirkung die Zurückziehung einer Beschwerde gegen einen Bescheid zu einem Zeitpunkt hat, an dem die belangte Behörde bereits eine Beschwerdevorentscheidung erlassen hat, aber das Verwaltungsgericht - nach Stellung eines Vorlageantrags - noch nicht über die Beschwerde entschieden hatte.

Dazu stellte der VwGH zunächst klar, dass zwischen der formellen und materiellen Rechtskraft von Bescheiden zu unterscheiden ist. Formell rechtskräftig ist ein Bescheid, wenn er mit einem ordentlichen Rechtsmittel (etwa mit einer Beschwerde oder einer Berufung) nicht mehr angefochten werden kann. Die materielle Rechtskraft wiederum entfaltet Bindungswirkung für Behörden und Parteien: Der Bescheid wird unabänderlich und unwiderruflich. Die materielle Rechtskraft tritt bereits mit dem Erlass des Bescheids ein.

Eine Zurückziehung einer Beschwerde ist nichts Anderes, als ein nachträglicher Beschwerdeverzicht, der besonders stringent zu prüfen ist. Besteht etwa nur für eine Partei die Möglichkeit, eine Beschwerde zu erheben, so tritt mit der Zurückziehung (dem nachträglichen Beschwerdeverzicht) formelle Rechtskraft des Bescheids ein, weil gegen diesen kein ordentliches Rechtsmittel mehr erhoben werden kann.

Eine Beschwerdevorentscheidung (bei der es sich ebenfalls um einen Bescheid handelt) erledigt die Beschwerde zunächst endgültig, sofern kein Vorlageantrag gestellt wird. Dabei derogiert die Beschwerdevorentscheidung dem ursprünglichen Bescheid, gegen den sich die Beschwerde richtet (sie geht dem ursprünglichen Bescheid vor). Mit einem Vorlageantrag wird beantragt, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorlegt wird, das - sofern der Vorlageantrag auch zulässig ist - jedoch den ursprünglichen Bescheid anhand der Beschwerde prüft (diese richtete sich ursprünglich gegen den Bescheid). Eine inhaltliche Entscheidung durch das Verwaltungsgericht über eine zulässige Beschwerde bezieht sich wiederum auf die Beschwerdevorentscheidung, die dabei aufgehoben, bestätigt oder abgeändert werden kann.

Die Zurückziehung der Beschwerde zu einem Zeitpunkt, nach dem bereits eine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist und nach Stellung eines Vorlageantrages das Verwaltungsgericht nunmehr zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig geworden ist, bewirkt, dass die Beschwerdevorentscheidung - neben der bereits ohnehin bestehenden materiellen Rechtskraft - auch formell rechtskräftig wird. Mit der Zurückziehung der Beschwerde verliert das Verwaltungsgericht gleichzeitig seine Zuständigkeit über die Entscheidung der Beschwerde.

Im Ausgangsfall ging das Verwaltungsgericht daher zu Unrecht davon aus, dass die Zurückziehung der Beschwerde nach Stellung eines Vorlageantrages gegen eine Beschwerdevorentscheidung bewirkt, dass die Beschwerdeentscheidung ersatzlos zu beheben sei und gleichzeitig der ursprüngliche Bescheid wieder wirksam werde. Der VwGH hob die angefochtene Entscheidung auf.


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