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Eine Hausdurchsuchung im EU-Ausland ist kein vor einem (österreichischen) Verwaltungsgericht anfechtbarer Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Ro 2018/04/0001 vom 18. März 2022

Im vorliegenden Fall führte die die niederländische Wettbewerbsbehörde "Autoriteit Consument en Markt" (ACM) eine Hausdurchsuchung bei einem niederländischen Unternehmen durch. Anlass für die Hausdurchsuchung durch die ACM war ein auf Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gestütztes Ersuchen der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde. Die Verordnung (EGNr. 1/2003 regelt die nähere Durchführung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln (Art. 101 und 102 AEUV), die dazu auch ein Netzwerk der Europäischen Wettbewerbsbehörden für eine Zusammenarbeit vorsieht.

Das niederländische Unternehmen wandte sich gegen Hausdurchsuchung mit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und brachte dazu vor, dass die Hausdurchsuchung einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstelle. Dieser sei der Bundeswettbewerbsbehörde zuzurechnen, die niederländische ACM sei nur als "verlängerter Arm" der Bundeswettbewerbsbehörde tätig geworden. Eine Hausdurchsuchung dürfe in Österreich nur in bestimmten Fällen mit einem richterlichen Befehl durchgeführt werden, ein solcher sei aber nicht vorgelegen.

Das BVwG ging davon aus, dass kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliege und wies die Beschwerde daher zurück.

Der VwGH setzte sich mit der aufgeworfenen Frage auseinander, ob die auf Ersuchen der Bundeswettbewerbsbehörde in den Niederlanden durchgeführte Hausdurchsuchung bzw. das Ersuchen selbst einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, der vor dem österreichischen Verwaltungsgericht anfechtbar ist.

Zunächst hielt der VwGH dazu fest, dass zuständige österreichische Wettbewerbsbehörden im unionsrechtlichen Sinn, das Kartellgericht, die Bundeswettbewerbsbehörde sowie der Kartellanwalt sind. Der Bundeswettbewerbsbehörde obliegt das Zusammenwirken mit den anderen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten der EU im Netzwerk der Wettbewerbsbehörden. Darunter fällt auch - wie hier - eine Kooperation nach auf Art. 22 der Verordnung (EGNr. 1/2003.

Gemäß Art. 22 der Verordnung (EGNr. 1/2003 darf die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts im Namen und für Rechnung der Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaats alle Nachprüfungen und sonstigen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung durchführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 oder 82 des EG-Vertrages (nunmehr Art. 101 und 102 AEUV) vorliegt.

Die nationalen Wettbewerbsbehörden werden dadurch in die Lage versetzt, Fällen nachzugehen, in denen sich Beweismittel in anderen Mitgliedstaaten befinden. Diese Möglichkeit hätten sie ohne die Unterstützung durch andere Behörden nicht, weil die Eingriffsbefugnisse jeder nationalen Behörde wegen des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt sind.

In Zusammenhang mit Art. 22 der Verordnung (EGNr. 1/2003 führte der OGH bereits aus, dass ein Ersuchen einer nationalen Wettbewerbsbehörde nur dann berechtigt sein wird, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden innerstaatlichen Ermittlungsakt (etwa eine Hausdurchsuchung) nach dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde gegeben sind. Das Ersuchen muss hiefür daher auch ausreichend begründet sein.

Der OGH stellte bereits auch klar, dass Amtshilfehandlungen nach Art. 22 der Verordnung (EGNr. 1/2003 mangels Kompetenz und Weisungsbefugnis im fremden Hoheitsgebiet nicht als Handlungen der ersuchenden Behörde gelten können. Die Handlungen erfolgen zwar im Interesse der ersuchenden Behörde, werden aber im eigenen Namen (hier durch die niederländische ACM) durchgeführt.

Die Bundeswettbewerbsbehörde hatte zunächst die notwendigen Informationen und Beweise an die niederländische Behörde zu übermitteln, damit diese prüfen konnte, ob nach niederländischem Recht die Voraussetzungen für eine Hausdurchsuchung vorliegen. Die Hausdurchsuchung wurde anschließend nach niederländischem Recht selbstständig angeordnet.

Die Hausdurchsuchung in den Niederlanden ist daher nicht der Bundeswettbewerbsbehörde zuzurechnen. Es handelt es sich um eine eigenständige Ermittlungshandlung der ACM nach niederländischem Recht, die auch nach diesem zu überprüfen ist.

Soweit schließlich das Unternehmen vorbringt, bei dem Ersuchen selbst handelt es sich um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, stellte der VwGH klar, dass eine solche Qualifikation des Ersuchens aufgrund des Fehlens der Unmittelbarkeit ebenfalls nicht zutrifft. Im Übrigen ist im österreichischen Recht gegen ein solches Ersuchen selbst auch sonst kein Rechtsmittel vorgesehen.

Der VwGH wies die Revision ab.



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