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Zur vorläufigen Suspendierung im Beamten-Dienstrecht

Ra 2021/09/0251 vom 28. Februar 2022

Der vorliegende Fall betrifft einen Beamten, der Sektionsleiter im Bundesministerium für Justiz ist. Aufgrund eines Verdachts, dass der Beamte das Amtsgeheimnis verletzt und dadurch gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe, wurde er im Februar 2021 mit Bescheid seiner Dienstbehörde, dem Bundesministerium für Justiz, mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert.

Der Beamte erhob dagegen eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Das Bundesministerium für Justiz teilte die vorläufige Suspendierung der Bundesdisziplinarbehörde mit und erstattete eine Anzeige wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstpflichten.

Mit einer Nachtragsanzeige zeigte das Bundesministerium für Justiz bei der Bundesdisziplinarbehörde weitere - aus seiner Sicht - disziplinarrechtlich relevante Vorkommnisse an. So habe der Beamte nichtöffentliche Informationen an eine Journalistin weitergegeben, bei einer anderen Gelegenheit das Amtsgeheimnis verletzt und nicht unterbunden, dass ihm ungeschwärzte Aktenteile von Verfahren zugesendet werden, für die er nicht zuständig gewesen sei. Dadurch habe er ebenfalls seine Dienstpflichten und seine Pflicht zur Verschwiegenheit als Beamter verletzt.

Im März 2021 sprach die Bundesdisziplinarbehörde aus, dass der Beamte nicht vom Dienst suspendiert werde. Sie ging mit näherer Begründung davon aus, dass nicht vom Verdacht schwerwiegender Dienstpflichtverletzungen ausgegangen werden könne.

Gegen die Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde wandte sich der Disziplinaranwalt beim Bundesministerium für Justiz (ebenfalls) an das BVwG.

Das BVwG wies im Juni 2021 die Beschwerde des Beamten gegen die vorläufige Suspendierung ab, gab wiederum der Beschwerde des Disziplinaranwaltes des Bundesministeriums für Justiz statt und sprach aus, dass der Beamte (endgültig) vom Dienst suspendiert werde. Dabei führte das Gericht aus, dass zwar jenes Vorkommnis, das zur vorläufigen Suspendierung geführt habe, diese nicht rechtfertige. Jedoch bestehe hinsichtlich der in der Nachtragsanzeige gemeldeten Vorkommnisse (jeweils) ein ausreichend begründeter Verdacht, der auch eine vorläufige Suspendierung sowie die (endgültige) Suspendierung rechtfertige.

Der Beamte wandte sich dagegen mit einer Revision an den VwGH.

Der VwGH setzte sich u.a. mit der Frage auseinander, ob eine vorläufige Suspendierung auf weitere nachgereichte Gründe gestützt werden kann, wenn der ursprüngliche Grund - wie hier - als nicht tragfähig beurteilt wurde. In diesem Zusammenhang stellten sich auch Fragen im Zusammenhang mit dem "Überraschungsverbot" bzw. mit der Frage, was "Sache" im Verfahren vor dem BVwG sei, wenn nach der Beschwerdeerhebung weitere Gründe für eine vorläufige Suspendierung nachgereicht werden.

Dazu hielt der VwGH zunächst fest, dass eine Suspendierung als sichernde Maßnahme keine endgültige Lösung der Disziplinarangelegenheit darstellt. In einem Suspendierungsverfahren muss auch noch nicht nachgewiesen werden, dass ein Beamter die ihm vorgeworfene Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Dies erfolgt erst im Disziplinarverfahren selbst. Für den Ausspruch der Suspendierung reicht es daher aus, wenn ein begründeter Verdacht der Dienstpflichtverletzung besteht. Dieser Verdacht muss in groben Umrissen beschrieben werden, wobei bloße Gerüchte oder vage Vermutungen nicht ausreichen. Eine Suspendierung ist auch dann unzulässig, wenn bereits offenkundig ist, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (etwa auch, wenn die Dienstpflichtverletzung bereits verjährt ist).

Die betreffende Dienstpflichtverletzung muss weiters auch schwerwiegend sein. Darüber hinaus reicht es bei mehreren vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen für eine Suspendierung aus, wenn bereits eine der Dienstpflichtverletzungen für sich betrachtet die Suspendierung rechtfertigt, so der VwGH weiter.

Von der Suspendierung ist die vorläufige Suspendierung zu unterscheiden. Die Suspendierung wird von der Bundesdisziplinarbehörde ausgesprochen, die vorläufige Suspendierung von der jeweiligen Dienstbehörde. Die vorläufige Suspendierung endet mit einem Ausspruch der Bundesdisziplinarbehörde oder des BVwG und kann seit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 mit Beschwerde angefochten werden.

Zu der Rechtsfrage, ob Gründe für eine vorläufige Suspendierung "nachgereicht" werden können hielt der VwGH unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung fest, dass eine vorläufige Suspendierung auch auf - später hervorgekommene - weitere Sachverhalte gestützt werden kann. Denn spiegelbildlich ist eine vorläufige Suspendierung auch aufzuheben, wenn die für die vorläufige Suspendierung maßgeblichen Umstände nachträglich weggefallen sind. Die Überprüfung der vorläufigen Suspendierung erfolgt daher zunächst am ursprünglich herangezogenen Grund, jedoch unter Beachtung von Veränderungen zu Gunsten und zu Lasten des Beamten.

Im vorliegenden Fall hatte das BVwG die vorläufige Suspendierung von Beginn an auf die in der Nachtragsanzeige vorgebrachten Gründe gestützt und überdies den ursprünglichen Grund für die vorläufige Suspendierung nicht ausreichend geprüft und zu Unrecht als für eine vorläufige Suspendierung nicht ausreichend erachtet. Dadurch verkannte es die Rechtslage, weshalb der VwGH die angefochtene Entscheidung insoweit aufhob. Mit Blick auf die (endgültige) Suspendierung an sich wurden hingegen keine grundsätzlichen Rechtsfragen aufgezeigt.


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