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Maskenpflicht: Die Behörde ist berechtigt, ärztliche Atteste zu überprüfen

Ra 2021/03/0277 vom 7. Februar 2022

Im vorliegenden Fall nahm im Jänner 2021 ein Mann an einer Versammlung teil, ohne einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, obwohl bei der Versammlung der Mindestabstand nicht eingehalten werden konnte. Als ihn die zuständige Bezirkshauptmannschaft zur Rechtfertigung aufforderte, legte der Mann ein ärztliches Attest vom September 2020 vor, wonach ihm aus gesundheitlichen Gründen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht zumutbar gewesen sei. Die Behörde hegte jedoch Zweifel an diesem Attest.

Laut Auskunft der Ärztekammer für die Steiermark seien nämlich Atteste des Arztes, der das Attest des Mannes ausgestellt hatte, ab Oktober 2020 jedenfalls ungültig, weil ihm ab diesem Zeitpunkt die Ausübung des Arztberufes untersagt worden sei. Hinsichtlich jener Atteste, die vor der Berufsuntersagung ausgestellt worden seien (wie das des Mannes), bestünden aufgrund des Umstandes, wie man die Atteste des Arztes im Internet habe bestellen können, und auch aufgrund öffentlicher Aussagen des Arztes erhebliche Zweifel, ob die Atteste den Anforderungen des § 55 Ärztegesetzes entsprechen.

Die Behörde räumte dem Mann die Möglichkeit ein, einen weiteren Nachweis vorzulegen. Der Mann legte jedoch kein weiteres Attest vor, weshalb die Behörde davon ausging, dass ihm das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zumutbar gewesen wäre und eine Strafe über ihn verhängte.

Der vom Mann dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich statt, hob die Strafe auf und stellte das Strafverfahren ein. Das Verwaltungsgericht ging dabei davon aus, dass der Mann ein ärztliches Attest vorgelegt habe, wie es zur Glaubhaftmachung der Unzumutbarkeit des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes in § 16 Abs. 2 3. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (3. COVID-19-NotMV) vorgesehen sei. Eine inhaltliche Überprüfung des Attestes stehe der Behörde dabei nicht zu.

Die Bezirkshauptmannschaft erhob dagegen eine Amtsrevision.

Der VwGH setzte sich hier mit der Frage auseinander, ob die Behörde ein zur Glaubhaftmachung der Unzumutbarkeit des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes vorgelegtes ärztliches Attest inhaltlich überprüfen darf.

Dazu hielt er zunächst fest, dass gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 3. COVID-19-NotMV die Pflicht bestand, bei Versammlungen einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Dies galt jedoch gemäß § 15 Abs. 5 3. COVID-19-NotMV dann nicht, wenn das Tragen einer solche Maske aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden konnte. Das Vorliegen einer solchen Unzumutbarkeit war gemäß § 16 Abs. 2 3. COVID-19-NotMV mit einer von einem Arzt ausgestellten Bestätigung (ärztliches Attest) glaubhaft zu machen.

Die Ausnahme vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes knüpft somit nicht bloß daran, dass der Betroffene über ein ärztliches Attest verfügt, sondern dass ihm das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Daher ist die Unzumutbarkeit aus gesundheitlichen Gründen - durch eine Vorlage eines ärztlichen Attestes - glaubhaft zu machen und nicht das Vorliegen eines ärztlichen Attestes per se.

Ob ein Ausnahmegrund glaubhaft gemacht wurde, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde, die berechtigt ist, das Vorliegen eines Ausnahmegrundes umfassend zu prüfen. Wenn die Behörde vermutet, dass das vorlegte Attest entgegen den Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis im Sinne des § 55 Ärztegesetz - wonach die Atteste nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach bestem Wissen und Gewissen auszustellen sind - ausgestellt wurde ("Gefälligkeitsattest"), so reicht dieses Attest für eine Glaubhaftmachung der Unzumutbarkeit nicht aus. Die Behörde ist in einem solchen Fall daher berechtigt, die Vorlage eines (weiteren) unbedenklichen Attestes zu verlangen.

Mit der Ansicht, dass die Behörde nicht berechtigt sei, ein aus ihrer Sicht vorgelegtes "Gefälligkeitsattest" zu überprüfen, verkannte das Verwaltungsgericht daher die Rechtslage, weshalb der VwGH die angefochtene Entscheidung aufhob.


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