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Umsatzsteuer: Der Anspruch auf Verzinsung einer zu spät getilgten Umsatzsteuerforderung ergibt sich aus einer Rechtsanalogie zu mehreren in der BAO geregelten Zinstatbeständen

Ro 2017/15/0035 vom 30. Juni 2021

Ein Hotelier machte in seiner Umsatzsteuervoranmeldung für August 2007 einen Überschuss an Vorsteuern in der Höhe von über 60.000 € geltend. Das Finanzamt erkannte nur einen kleinen Teil dieses Vorsteuerüberhanges an. Erst später, im Jahr 2013 gab der unabhängige Finanzsenat der Berufung Folge und setzte die Jahresumsatzsteuer, wie vom Hotelier geltend, gemacht fest.

Daraufhin beantragte der Hotelier ab dem 1. Jänner 2012 Zinsen für die Umsatzsteuerforderung, die aus der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates entstanden sind.

Diesen Antrag wies das Finanzamt ab. Auch das Bundesfinanzgericht (BFG) folgte dem Hotelier nicht.

In der gegen diese Entscheidung erhobenen Revision vertrat der Hotelier den Standpunkt, das Unionsrecht verlange, dass der finanzielle Verlust, der wegen der verspäteten Erstattung des Mehrwertsteuerüberschuss entstanden sei, durch die Zahlung von Zinsen auszugleichen sei.

Nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte der VwGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der in seinem Urteil vom 12. Mai 2021, C-844/19, aussprach, dass zwar keine unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmung zur Verzinsung des Mehrwertsteuerguthabens existiere. Das Unionsrecht verlange aber die Zahlung von Zinsen, wenn die Erstattung eines Vorsteuerüberschusses nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolge.

Der VwGH hob in der Folge die Entscheidung des BFG als rechtswidrig auf und begründete unter Bezugnahme auf dieses Urteil des EuGH wie folgt:

Strittig ist, ob dem Hotelier Zinsen für den erst nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens gutgeschriebenen Teil des Vorsteuerüberschusses zustehen. Aus der unmittelbaren Anwendung des Unionsrechts ergibt sich keine Pflicht zur Verzinsung von Mehrwertsteuerbeträgen. Der Grundsatz der Neutralität des Mehrwertsteuersystems verlangt aber, dass die finanziellen Verluste durch Zinszahlungen ausgeglichen werden, wenn die Mehrwertsteuerüberschüsse nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet werden.

Weder das österreichische materielle Abgabenrecht noch die BAO kennen eine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden. Die BAO enthält aber mehrere Zinstatbestände, nämlich § 205, § 205a und § 212a BAO.

Die in der BAO geregelten Zinstatbestände erlauben eine Rechtsanalogie zur Auflösung des Normenkonflikts zwischen dem nationalen Recht und dem Unionsrecht. Auf dieser Grundlage steht der geltend gemachte Zinsanspruch dem Hotelier zu.

Im Übrigen hielt der VwGH fest: Nach dem Unionsrecht kann ein zinsfreier Zeitraum für eine angemessene abgabenrechtliche Prüfung bestehen, der den Beginn des Verzinsungszeitraumes verschiebt. Da der Hotelier eine Verzinsung des aus dem Jahr 2007 stammenden Vorsteuerüberhanges erst für den Zeitraum ab Jänner 2012 beantragt hat, kann aber im gegenständlichen Fall eindeutig nicht mehr von einer zinsfreien Periode ausgegangen werden.

Download: Volltext der Entscheidung