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Einkommensteuer: Kein Wegfall der Abgabenschuld unter Berufung auf Treu und Glauben bei fehlendem Vollzugsspielraum

Ra 2021/15/0001 vom 10. Mai 2021

Der Pilot einer deutschen Fluggesellschaft, der mit seiner Familie in Österreich lebt, erzielte im Streitzeitraum aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war aufgrund dieser Einkünfte in Deutschland beschränkt steuerpflichtig, wollte aber – weil dies seine einzigen positiven Einkünfte waren – in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden. Für die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht hat die deutsche Finanzverwaltung ein Formular aufgelegt. In diesem Formular gab der Pilot an, in Österreich keine steuerpflichtigen Einkünfte bezogen zu haben, und bestätigte dies mit seiner Unterschrift. Auf diesem Formular hat sodann das österreichische Wohnsitz-Finanzamt des Piloten entsprechend der im Formular vorgedruckten Formulierung bestätigt, dass dem Finanzamt "nichts bekannt" sei, was zu den vom Piloten gemachten Angaben zu den persönlichen Verhältnissen und Einkommensverhältnissen in Widerspruch stehe. In Deutschland stellte der Pilot sodann mit dieser Bestätigung den Antrag, mangels Einkünften in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, um die damit verbundenen steuerlichen Vorteile genießen zu können.

Nach Aufforderung durch das (österreichische) Finanzamt reichte der Pilot in Österreich eine Einkommensteuererklärung ein und wies dabei die in Österreich zu versteuernden Einkünfte mit Null aus. Der Pilot vertrat nämlich die Ansicht, dass nach dem DBA sein Lohn ausschließlich in Deutschland zu versteuern sei.

Demgegenüber nahm das Finanzamt einen in Österreich zu versteuernden Anteil an den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit an. Das Finanzamt begründete, nach dem (damals anzuwenden, alten) DBA Deutschland 1954 unterliege ein Pilot einer deutschen Fluggesellschaft, der in Österreich seinen Lebensmittelpunkt habe und auf internationalen Flügen eingesetzt werde, mit den auf eine Tätigkeit außerhalb Deutschlands entfallenden Bezügen der österreichischen Besteuerung.

Gegen diesen Bescheid erhob der Pilot Beschwerde und beantragte die Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Deutschland. In der Folge wurde ein Verständigungsverfahren mit Deutschland eingeleitet, in dem schließlich Deutschland die Ansicht des Finanzamts (Aufteilung der Einkünfte) teilte.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht (BFG) brachte der Pilot vor, dass er nie aufgeklärt worden sei, dass Teile seines Bezuges in Österreich der Einkommensteuer unterlägen. Der Einkommensteuerbescheid verstoße gegen Treu und Glauben, weil er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Bestätigung Dispositionen getroffen habe, die er bei Kenntnis der Unrichtigkeit nicht getroffen hätte.

Das BFG ging in der angefochtenen Entscheidung wie das Finanzamt von einer Steuerpflicht eines Teiles der strittigen Bezüge in Österreich aus.

Der VwGH wies die gegen die Entscheidung des BFG erhobene Revision des Piloten zurück, weil eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wurde. Der VwGH führte dazu aus:

Der Grundsatz von Treu und Glauben kann nur soweit Auswirkungen entfalten, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt. Ein solcher Vollzugsspielraum besteht im vorliegenden Fall nicht. Das EStG und das DBA legten die Steuerpflicht klar (und ohne Vollzugsspielraum) fest.

Ergänzend verwies der VwGH darauf, dass die Bescheinigung, aus der der Revisionswerber eine Verletzung von Treu und Glauben ableiten möchte, ein Vordruck der deutschen Finanzverwaltung war, auf dem das österreichische Finanzamt lediglich bestätigte, dass dem Finanzamt im Bescheinigungszeitpunkt keine zu den Angaben des Revisionswerbers in Widerspruch stehenden Umstände bekannt seien:

"Damit wird augenscheinlich, dass die primäre Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben beim Bescheinigungswerber selbst lag, zumal der Bescheinigung keine umfassende Abgabenprüfung vorausging und der Bescheinigungswerber im Bescheinigungszeitpunkt auch keinerlei Abgabenerklärungen in Österreich eingereicht hatte. Das Finanzamt bestätigte nur, dass ihm (aus damaliger Sicht) nichts bekannt sei, was zu den vom Revisionswerber (und seiner Ehefrau) gemachten Angaben über die persönlichen Verhältnisse und über die Einkommensverhältnisse (gemeint wohl: die Verhältnisse im Tatsachenbereich) in Widerspruch stehe. Eine rechtliche Qualifikation von Einkünften aus einer außerhalb Deutschlands erbrachten Tätigkeit oder hinsichtlich einer doppelbesteuerungsrechtlichen Frage kann aus der gegenständlichen Bescheinigung des Finanzamts nicht abgeleitet werden."

Download: Volltext der Entscheidung