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VwGH klärt Übergang zu neuen Strafregelungen im Lohn- und Sozialdumping nach der LSD-BG-Novelle BGBl. I Nr. 174/2021

Ra 2021/11/0033, 0034 vom 12. Oktober 2021 und
Ra 2019/11/0015, 0016 vom 12. Oktober 2021

Der VwGH hat in zwei Entscheidungen den Übergang zu den neuen Strafregelungen für Lohn- und Sozialdumping geklärt, die mit der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 ab 1. September 2021 eingeführt wurden:

Das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) - für Sachverhalte bis Ende 2016 - und das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD‑BG) - für Sachverhalte ab Anfang 2017 - sehen u.a. bei einer grenzüberschreitenden Entsendung und Überlassung von Arbeitskräften ein Verbot der Unterentlohnung (Lohndumping) und begleitende Verpflichtungen vor, welche die Kontrolle dieses Verbotes ermöglichen sollen (insb. Meldepflichten und die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen am Arbeitsplatz).

Verstöße wurden bisher mit Geldstrafen bestraft, welche für jeden einzelnen Arbeitnehmer (kumulativ) und ohne Beschränkung zu verhängen waren, wobei eine Mindeststrafe bestand. Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe war eine Ersatzfreiheitsstrafe festzulegen. Der EuGH hat mit Urteil vom 12. September 2019, C‑64/18, Maksimovic, auf Grund von österreichischen Vorabentscheidungsersuchen - zu Bestrafungen wegen der Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen - entschieden, dass diese Rechtslage mit dem Unionsrecht nicht vereinbar war.

Unter Berufung auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache Maksimovic hat der VwGH bereits mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2019 (Ra 2019/11/0033 und 0034) entschieden, dass bei Verstößen gegen die Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen, die mehrere Arbeitnehmer betrafen, die nationalen Strafbestimmungen so anzuwenden waren, dass nur mehre eine (einzige) Geldstrafe, ohne Anwendung einer Mindeststrafe und ohne Festlegung einer Ersatzfreiheitsstrafe, zu verhängen war.

In Reaktion auf dieses EuGH-Urteil und die Rechtsprechung des VwGH hat der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 die Straftatbestände im LSD-BG neu gefasst. Dadurch werden die Strafen für jene Verpflichtungen, welche die Lohnkontrolle ermöglichen sollen (Meldepflichten und Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen), an das Unionsrecht angepasst und die Strafbestimmung für die Unterentlohnung nach denselben Grundsätzen geregelt. Nach der neuen Rechtslage liegt unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur eine einzige Verwaltungsübertretung vor, die mit einer (einzigen) Geldstrafe zu bestrafen ist. Dadurch ist - unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer - in jedem Fall eine Höchstgrenze der zu verhängenden Strafen sichergestellt. Mindeststrafen sind nicht mehr vorgesehen.

Diese Rechtslage ist mit 1. September 2021 in Kraft getreten und in allen in diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof anzuwenden (§ 72 Abs. 10 der Novelle).

Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher in einem Fall, in dem wegen Unterentlohnung von sechs Arbeitnehmern eine Geldstrafe nach dem LSD‑BG verhängt worden war, die Strafaussprüche der bei ihm angefochtenen Erkenntnisse eines Landesverwaltungsgerichts nicht anhand der vom Verwaltungsgericht noch angewendeten (alten) Gesetzeslage zu überprüfen, sondern anhand der (neuen) Strafbestimmung für Unterentlohnung in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021. 
Im Ausgangsfall war die Verhängung einer einzigen Strafe durch das Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden, weshalb der VwGH die Revision zurückwies.

Download: Volltext der Entscheidung (Ra 2021/11/0033, 0034)


In einem älteren Fall, welcher noch nach den (alten) Regelungen des AVRAG zu beurteilen war, waren für die Unterentlohnung von fünf Arbeitnehmern fünf (einzelne) Strafen verhängt worden. Zwar wurden durch die Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 nur die Strafbestimmungen des LSD‑BG und nicht auch jene des AVRAG (ausdrücklich) geändert. Der VwGH entschied jedoch, dass es sich dabei um eine sogenannte "planwidrige Lücke" handelt, welche durch Analogie (Lückenschluss) zu schließen ist. Es liegt daher unabhängig von der Anzahl der von der Unterentlohnung betroffenen Arbeitnehmer nur eine einzige Verwaltungsübertretung vor, für die ohne Anwendung einer Mindeststrafe nur eine einzige Strafe zu verhängen ist.
Gemessen an dieser, vom VwGH in seiner Entscheidung anzuwendenden Rechtslage, war das angefochtene Erkenntnis rechtswidrig, weil für die Unterentlohnung von fünf Arbeitnehmern fünf (einzelne) Geldstrafen verhängt wurden. Der VwGH hob das Erkenntnis daher auf.

Download: Volltext der Entscheidung (Ra 2019/11/0015, 0016)