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ImmoESt: Steuerfreiheit auch bei Aufgabe des Hauptwohnsitzes erst im zweiten Jahr nach der Grundstücksveräußerung
Ro 2015/15/0006 vom 1. Juni 2017
Der VwGH befasste sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a Einkommensteuergesetz 1988 auch dann zum Tragen kommt, wenn die Verkäufer eines Hauses den Hauptwohnsitz noch eineinhalb Jahre nach dem Verkauf in diesem Haus beibehalten.
In diesem Fall hatte ein Ehepaar eine Liegenschaft über zehn Jahre lang als Hauptwohnsitz genutzt und verkaufte diese sodann am 4. Juli 2012. Den Hauptwohnsitz behielt es aber bis zum 31. Dezember 2013 auf dieser Liegenschaft. Das Ehepaar hatte bereits im Februar 2012 ein anderes Grundstück erworben, um darauf ein Haus zu bauen, das als neuer Hauptwohnsitz dienen sollte. Die Erteilung der Baugenehmigung verzögerte sich aufgrund von Einsprüchen der Nachbarn, weshalb der Neubau erst mit 23. Dezember 2013 fertig gestellt werde konnte.
Das Finanzamt meinte, die ImmoESt-Steuerbefreiung für die Veräußerung des Hauptwohnsitzes könnte nicht zur Anwendung kommen. Es sei für die Befreiung schädlich, dass das Ehepaar erst eineinhalb Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages (Veräußerung) ausgezogen sei und damit den bisherigen Hauptwohnsitz aufgegeben habe. Das Bundesfinanzgericht hielt die Hauptwohnsitzbefreiung hingegen für anwendbar.
Der VwGH bestätigte die Steuerfreiheit des Vorgangs. Die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 Einkommensteuergesetz 1988 hat die Aufgabe des (bisherigen) Hauptwohnsitzes zur Voraussetzung. Der Zweck dieser Befreiung besteht darin, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht. Die Befreiungsbestimmung ist auch anzuwenden, wenn die Aufgabe des Hauptwohnsitzes nach der Veräußerung erfolgt.
Um dem erklärten Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung gerecht zu werden, wird dem Veräußerer für die Adaptierung bzw. Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes ein gewisser Zeitraum einzuräumen sein. Steht bei der Veräußerung die Absicht, den Hauptwohnsitz zu wechseln, bereits fest, kommt dem Veräußerer für die Aufgabe des Hauptwohnsitzes eine den Umständen des Einzelfalls nach angemessene Frist zu. Diese kann, wenn die Beschaffung des neuen Hauptwohnsitzes eine längere Zeit in Anspruch nimmt, durchaus über ein Jahr hinausgehen. Gegebenenfalls kann bei der bescheidmäßigen Steuerfestsetzung mit Bescheiden nach § 200 BAO vorgegangen werden.
In diesem Fall wurde die Errichtung des neuen Hauptwohnsitzes vom Ehepaar nachdrücklich betrieben, die Verzögerung des Bauverfahrens des neuen Hauptwohnsitzes war auf Einsprüche der Nachbarn zurückzuführen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände war eine Frist von eineinhalb Jahren zwischen der Veräußerung und der Aufgabe des alten Hauptwohnsitzes als angemessen einzustufen.