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Keine Zurückziehung einer Beschwerde bei Übersetzungshilfe durch elfjährige Tochter
Ra 2015/10/0111 vom 27. April 2016
Anlässlich eines Verfahrens betreffend die Zurückzahlung von Mindestsicherungsleistungen musste sich der VwGH mit der Frage befassen, unter welchen Umständen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine Beschwerde zurückgezogen bzw. auf eine solche verzichtet werden kann. Der konkrete Fall betraf eine - nicht der deutschen Sprache kundige - Mindestsicherungsbezieherin, deren elfjährige Tochter im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht für sie gedolmetscht hatte. Im Zuge dieses Verfahrens hatte die Frau erklärt, ihre Beschwerde zurückzuziehen.
Unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung führte der VwGH aus, dass eine Zurückziehung einer Beschwerde (bzw. ein Verzicht auf eine solche) einer oder eines Fremden ohne Beiziehung einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers nur dann wirksam ist, wenn die oder der Fremde der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite bewusst zu sein.
Dies durfte das Verwaltungsgericht im konkreten Fall nicht ohne weiteres annehmen: Es kann nämlich bei einem elfjährigen Kind, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, nicht von vornherein angenommen werden, dass es auch in der Lage ist, ihm gegenüber mündlich gebrauchte verfahrensrechtliche Ausdrücke (wie "Zurückziehung einer Beschwerde") zu verstehen und deren Auswirkungen seiner Mutter klar zu machen.