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§ 5 Abs. 2 Z 13 Tierschutzgesetz: Begehung von Tierquälerei durch Unterlassen?

Ra 2018/02/0321 bis 0322 vom 1. Oktober 2019

In diesem Revisionsfall wurde am 14. Juli 2016  im Innenhof eines Gebäudes in Wien ein Taubenabwehrnetz errichtet, wobei unwissentlich eine - entweder durch den Gang zur Straße eingeflogene oder bei Errichtung des Taubenabwehrnetzes verbliebene - Taube im Innenhof bis zum 2. August 2016 eingesperrt wurde. Zwar wurden die Tore zur Straße offengehalten, um der Taube solcherart das Ausfliegen zu ermöglichen, doch weigerte sich der revisionswerbende Hausverwalter bzw. Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufene der mithaftenden Liegenschafts- bzw. Gebäudeeigentümerin aus Sorge vor dem Einflug weiterer Tauben und aus Kostengründen, zu diesem Zweck das Taubenabwehrnetz zu öffnen.

Das LVwG Wien erkannte den revisionswerbenden Hausverwalter bzw Geschäftsführer der Tierquälerei nach § 5 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 1 Z 1 Tierschutzgesetz (TSchG) schuldig, weil durch die Errichtung des Abwehrnetzes der Taube in dem mit einem Taubenabwehrnetz bespannten Innenhof ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt oder sie in schwere Angst versetzt worden sei, als sie unter dem Netz gefangen gewesen sei und keine ausreichenden Schritte gesetzt worden seien, das Tier zu befreien, und verhängte eine Geldstrafe von 200€.

Der VwGH setzte sich hier mit der Rechtsfrage auseinander, ob der Tatbestand der Tierquälerei nach § 5 Abs. 1 TSchG - ohne das Vorliegen einer Haltereigenschaft iSd § 4 Z 1 TSchG - auch durch Unterlassen erfüllt werden könne.

Täter einer Tierquälerei kann grundsätzlich jedermann sein, es handelt sich hierbei um ein Erfolgsdelikt. Weil im Verwaltungsstrafrecht keine dem Kriminalstrafrecht (§ 2 StGB) vergleichbare Regelung existiert (und eine analoge Anwendung ausgeschlossen ist), wonach die Strafbarkeit von Erfolgsdelikten auf Unterlassung der Erfolgsabwehr erweitert wird, können nur dann Tathandlungen im Verwaltungsstrafrecht durch Unterlassen verwirklicht werden, wenn eine andere gesetzliche Bestimmung vorsieht, dass die Unterlassung strafbar sein soll.

Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 2 Z 13 TSchG ergibt sich, dass nur der Tierhalter gegen diese Bestimmung verstößt, wenn dieser die Unterbringung, Ernährung und Betreuung eines "von ihm gehaltenen Tieres" vernachlässigt. Der Begriff "Halter" setzt hierbei eine Nahebeziehung zu dem Tier voraus. Im gegenständlichen Fall konnte der Revisionswerber jedoch nicht als Halter gesehen werden.

Auch die Voraussetzungen für das Entstehen der von der Haltereigenschaft unabhängigen Hilfeleistungspflicht nach § 9 TSchG infolge einer Garantenstellung lagen nicht vor, weil die Taube weder erkennbar verletzt noch in Gefahr gebracht worden war. Da somit auch kein Verstoß gegen die Hilfeleistungspflicht iSd § 9 TSchG gegeben war und sich auch sonst nicht aus einer anderen gesetzlichen Bestimmung ergab, dass die Unterlassung bestimmter Handlungen strafbar sein soll, wenn sie nicht durch den Tierhalter oder den Garanten erfolgt, war die Tathandlung der Tierquälerei durch Unterlassung eines Dritten nicht verwirklicht; der Revisionswerber wurde daher zu Unrecht bestraft.

Der VwGH entschied in der Sache selbst und stellte das Verfahren ein.

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Volltext der Entscheidung