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Die erste mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichtshofes am 26. Oktober 1876
26.Oktober 1876, Z 231
Nedomansky ist berühmt: so hieß nämlich nicht nur ein über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus bekannter Eishockeyspieler, sondern auch der Beschwerdeführer des ersten Erkenntnisses des neu gegründeten Verwaltungsgerichtshofes vom 26.Oktober 1876, Z 231, Slg. Budwinsky Nr. 1. Wer sich für die Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit genügend detailreich interessiert, kennt daher Nedomansky. Er soll aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums daher einem größeren Kreis von Interessierten bekannt gemacht werden.
Nedomansky war der Vertreter des Repräsentanten des Pfarrpatronats und des bisher leistungsberechtigten Pfarrers. Er hatte einen berühmten Gegenspieler im Verfahren: dies war kein geringerer als der gemeinhin als Schöpfer der Verwaltungsgerichtsbarkeit geltende K.K. Sektionschef Dr. Carl Lemayer als Vertreter des „k.k. Ministeriums für Cultus und Unterricht“ als belangter Behörde.
Und die Entscheidung Budwinski Nr. 1 zeigt bereits die hohe methodische Sicherheit der Richter des VwGH im Umgang mit Normen, die auf den ersten Blick nicht so klar erscheinen. Hier geht’s um den § 21 des Gesetzes vom 7.5.1874, „wodurch Bestimmungen zur Regelung der äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche erlassen werden“, RGBl. 50. Im Falle einer „Umpfarrung“, also der Verlegung einer Gemeinde in eine andere Pfarre, verliert der bisherige Pfarrer alle Leistungen, die den Pfarrangehörigen („Parochianen“) „als solchen“ obliegen. Strittig war die Leistung eines Zehent im Ausmaß von „92 Metzen Korn und 92 Metzen“ [eine Metze war in Österreich ein Hohlmaß von ca 61,5 Liter] Hafer, welche die Bewohner der schon 1784 ausgegliederten Ortschaft (in der eine neue „Kaplanei“ errichtet worden war) immer noch an den Pfarrer der früheren Pfarrgemeinde, den Beschwerdeführer, leisteten. Dabei handelte es sich aber um Leistungen von Besitzern ehemals untertäniger Grundwirtschaften, die diese ohne Rücksicht auf Religionszugehörigkeit und Pfarrzugehörigkeit zu leisten hatten. Das Kultusministerium wies diese Leistung im Instanzenzug an die neue Kaplanei zu. Der Verwaltungsgerichtshof war anderer Meinung. Im Rahmen seiner ersten durchgeführten mündlichen Verhandlung am 26. Oktober 1876, in Rahmen derer er auch zur Erkenntnisverkündung gelangte führte er aus:
Besagter § 21 lasse für den Fall einer (hier vorliegenden) Umpfarrung nur die Übertragung jener Leistungen zu, die „den Parochianen als solchen“ obliegen, die also ihre Leistung deshalb erbringen müssen, weil sie als Katholiken der Jurisdiktion einer bestimmten Pfarre unterliegen. Im Beschwerdefall ging es aber nicht um Leistungen, die „von den Parochianen als solchen“ zu erbringen waren, sondern um Reallasten, die von den Eigentümern der belasteten Grundstücke unabhängig von Religionszugehörigkeit und Pfarrjurisdiktion, also von den Grundbesitzern „als solchen“ erbracht werden mussten. Der Umstand, dass der Pfarrer diese Leistungen wegen seines geistlichen Amtes erhalten hat, macht die Leistung nicht zu einer Parochialleistung. Das Ministerium verwechselte also Leistungen, welche den „Parochialen als solchen“ obliegen (für diese gilt § 21) mit Leistungen welche an den Pfarrer als solchen zu leisten waren (für diese gilt § 21 nicht). Der Bescheid des Ministeriums wurde daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; der Pfarrer durfte Korn und Hafer weiter beziehen, selbst wenn die belasteten Grundstücke zwischenzeitig die Pfarrgemeinde gewechselt hatten.